Wohngruppe mit FASD-Kindern & Jugendlichen

Konzept  für die Wohngruppe Polarstern, Don-Bosco-Heim GmbH, Viersen

In unserer Wohngruppe Polarstern gehen wir auf Kinder und Jugendliche mit FASD und ihre Bedarfe besonders ein und unterstützen sie individuell, bedarfsgerecht und passgenau.

Die Förderung der Kinder und Jugendlichen mit FASD in unserer Wohngruppe geschieht nach neuro-behavioristischem Ansatz. Das heißt, wir fördern Kinder und Jugendliche mit FASD nicht durch mehr Anforderungen oder Therapien, sondern durch eine Veränderung der Anforderungen.

In dem ausführlichen PDF (Download PDF: FASD-Konzept-Wohngruppe-Polarstern ↓) gibt es noch viele Anregungen zum Umgang mit FASD in Wohngruppen, hier ein Auszug des Konzepts:

 

Die Anforderungen durch die Leitsymptome bei FASD  

  • Gedächtnisprobleme (Vergessen von Regeln, Aufgaben, Schulstoff, alltagspraktischen Fähigkeiten) 
  • geringe Impulskontrolle 
  • geringes Verständnis für abstrakte Konstrukte wie: Zeit, Geld, Mathe, Privateigentum 
  • Reizoffenheit 
  • eingeschränktes Sprachverständnis (Blender / „Party Talker“) 

 

Erstverdacht auf FASD / Abklärung 

Unser Ziel ist die passgenaue Unterstützung und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit FASD. Bei Verdachtsmomenten soll eine Abklärung veranlasst werden. Zur Vorstellung in der FASD-Ambulanz wird benötigt: 

 

- gelbes U-Heft 

- Fotos aus der frühen Kindheit 0-3 Jahre oder bis 8 Jahre (neutraler Gesichtsausdruck, Passfoto) 

- Erklärung über den Alkoholkonsum in der Schwangerschaft 

  • nie, auch vor der Schwangerschaft nicht = Abstinenz 
  • nur in den ersten 2- 4 Wochen der Schwangerschaft 
  • selten, sehr wenig Alkohol (1/2 Bier) 
  • gelegentlich 
  • regelmäßig 
  • Welcher Alkohol: Wein, Sekt, Bier, Spirituosen 

 

Ohne die Diagnose ist eine passgenaue Unterstützung der Kinder / Jugendlichen nicht möglich. 

Ungenaue Diagnosen wie z.B. Störung des Sozialverhaltens oder AD(H)S können dazu führen, dass die Kinder / Jugendlichen dauerhaft überfordert werden. Dies können ihre Prognosen verschlechtern und sollte deshalb vermieden werden. 

 

Erstverdacht auf FASD / Abklärung / Diagnostik: 

  • Feldmann/Graf: FASD in der Jugendhilfe, S. 27-39 
  • Leipholz/Kamphausen: FASD Elternbuch, S. 21-36 

 

Unsere Grundhaltung 

Die Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen mit FASD sind hirnorganisch bedingt. Mit bestimmten Alltagssymptomen ist deshalb zu rechnen. Das Verhalten der Kinder ist 

  • kein Mangel an Motivation 
  • keine Absicht 
  • keine Folge von Erziehungsfehlern 
  • behinderungsbedingt und so zu erwarten 

 

Unser Mindset FASD: 

  • Wir holen Dich da ab, wo Du stehst und akzeptieren dich so, wie Du bist. 
  • Wir möchten Dir helfen mit FASD leben zu lernen.
  • Wir begleiten Dich ergebnisoffen. 
  • Ganz gleich, welches Ziel du wann erreichen kannst, sind wir an deiner  Seite. 
  • Die Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit FASD kann für alle Beteiligten anstrengend und frustrierend sein. 
  • Wir kennen unsere Grenzen und achten gut auf uns selbst. 
  • Umdenken 
  • Kinder und Jugendliche mit FASD zu begleiten, heißt für uns selber umzudenken. 
  • Wir ersetzen den Satz „Das Kind will nicht.“ durch den Satz: „Das Kind kann nicht.“ 
  • Was können wir ändern, damit das Kind, der/die Jugendliche besser durch den Alltag kommt? 

 

De-Eskalation 

Wir verhalten uns in schwierigen Situationen de-eskalierend. 

 

Nach einem Ausbruch reflektieren wir im Team, ob wir in Zukunft etwas anders machen können und ob wir im Vorfeld des Ausbruchs etwas übersehen haben. 

 

ruhig bleiben 

Deine Stimmung überträgt sich 

 

nicht anstarren 

Anstarren = Provokation 

 

hinsetzen 

Körpersprache signalisiert so Normalität und Entspannung 

 

nicht anfassen 

Berührung = Angriff 

 

nicht nachgehen 

Nachgehen = Eskalation 

 

wenig reden 

Reden = Stresslevel steigt 

 

ignorieren 

auch aktiv durch Themenwechsel wie z.B. "Wie wird das Wetter am Samstag?" 

 

andere Gehirnregion aktivieren 

z.B. singen, rechnen, Holst du mal die Schokolade? 

 

abschalten 

Sorge unaufgeregt nebenbei für Ruhe 

 

nicht einsteigen 

Knallende Türen = Einladung zum Streit 

 

Ablösung rufen 

wenn deine Nerven blank liegen, tausche möglichst mit eine/r Kolleg/in nicht „pädagogisieren“ 

 

Alltagsmanagement 

Leichte Sprache 

  • 3-Wort-Sätze (immer, wenn es darauf ankommt) 
  • eindeutige Antworten 
  • immer nur 1 Aufgabe (Sequenzierung) 

 

Kommunikation 1:1 

klare und eindeutige Ansagen 

  • Tonfall passt zur Botschaft: Ernst – Lob – neutral 
  • keine reflektierenden Gespräche 
  • wenige kurze Erklärungen 
  • nichts diskutieren 
  • Alles aussprechen! – Nichts vorrausetzen! 
  • Ich-Botschaften: z.B. "Ich diskutiere das nicht." "Ich brauche eine Pause." 

 

Stop and go - Prinzip 

  • alles aussprechen – nichts voraussetzen 
  • Tue… 
  • unerwünschtes Verhalten NUR stoppen 
  • unerwünschtes Verhalten IMMER stoppen 

 

Es gibt nur jetzt! 

  • keinen erzieherischen / therapeutischen Spannungsbogen in die - Zukunft 
  • Wie schaffen wir die Situation jetzt? Was wollen wir jetzt? Wie kommen wir da hin? 

 

Zeitmanagement 

  • kein Verständnis für das abstrakte Konstrukt „Zeit“ 
  • Termine nicht einhalten 
  • Zeitlimit nicht schaffen 
  • „nerven“ mit häufigen Nachfragen „Wann?“ 
  • „schwimmt“ das Kind, wird es evtl. stören 
  • keine Zeitangaben machen 
  • nichts erwarten 
  • an Termine erinnern, im Handy speichern 
  • Zeitmanagement selbst übernehmen 

 

Feste Tagesstruktur 

  • jeder Tag ist gleich 
  • jede Ausnahme = Stress 
  • Bei jeder Ausnahme (Ausflüge, Arzttermine, Heimfahrten, etc.) ist anschließend mit Ausrasten, Flippen, Aggressionen, 
  • Unruhe oder ähnlichem zu rechnen. 
  • Akzeptanz, eigene Erwartungen anpassen 

 

Gedächtnisunterstützung 

  • damit rechnen, dass alles vergessen werden 
  • Piktos mit den wichtigsten Regeln am entsprechenden Ort aufhängen oder hinlegen 
  • Anziehen trainieren mit Piktos 
  • Piktos im Bad aufhängen 
  • Piktos mit Terminen und Aufgaben für den Tag 
  • alles täglich wiederholen 
  • eigene Erwartungen anpassen 


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